Wie viel New Work vertragen Organisationen?

Wie halten Unternehmen den „Motor“ Mensch in der digitalen Transformation am Laufen?

Bei der digitalen Transformation stehen Produkte, Prozesse und Technologien oft im Vordergrund. Das jedoch der Mensch Motor dieser gesellschaftlichen Veränderung ist, gerät in Vergessenheit. So wird dem Mitarbeiter einiges abverlangt, ständige Erreichbarkeit auf mehreren Kanälen, die Vereinbarkeit zwischen Arbeit und Familie, Information Overload, angetrieben durch die permanente Angst austauschbar zu sein. All das kann langfristig überfordernd sein und krank machen. Unerlässlich ist hier eine Evolution in den Köpfen, denn die Tugenden der Digitalisierung sind Innovationsbereitschaft und eine verstärkte Eigenverantwortung sowie eine Fehlerkultur, die Scheitern auf dem Weg zum Erfolg einkalkuliert und verzeiht.

Die Reise nach Jerusalem (für Erwachsene)

Gerade im Zeitalter der digitalen Transformation sollte es letztendlich Ziel sein Mitarbeiter wie Kunden zu behandeln, denn schließlich sind sie ebenfalls Touchpoints des Unternehmens und fungieren in ihren Bekanntenkreisen als Markenbotschafter. Um die High-Potentials von morgen für sich zu begeistern wird viel getan, um auch den Außenauftritt innovativ zu gestalten. Dazu gehören auch Raumkonzepte, sogenannte Coworking-Spaces. Dabei sitzen Mitarbeiter und Führungskräfte gemeinsam in hippen Großraumbüros, ergänzt durch Think Tanks (kleine Räume, in die sich der Mitarbeiter zurückziehen kann). In diesen sogenannten Coworking-Spaces herrscht in der Regel zudem Desk Sharing, dass bedeutet, dass dem Mitarbeiter kein fester Arbeitsplatz mehr zugeordnet ist und man sich je nach Aufgaben in Squads (Projektteams) zusammenfinden kann. Was von Raumausstattern und externen Beratern gehypt wird, wird insbesondere für ältere Kolleginnen und Kollegen oft extrem nervenzehrend und führt oft zu ersten Widerständen gegenüber dem Konzept. Zu Beginn geht es vielen Unternehmen ebenfalls um die Reduktion der Schreibtische. So startet allmorgendlich die Reise nach Jerusalem. Dank Krankheitstagen, Urlaubszeiten, Home Office oder externer Termine geht die Rechnung meist auf und führt trotzdem nicht selten zu morgendlichen Diskussionen und Wutanfällen. Gerade auch weil nicht jeder Kollege das gleiche Verständnis vom „Clean Desk“ Prinzip hat. Dabei stellt sich für mich immer die Frage, ob solche Konzepte unternehmensübergreifend sinnvoll sind. Nicht immer ist der große Change der Schlüssel zum Erfolg, denn warum sollten Bereiche wie Compliance oder auch Personal, die mit vertraulichen Daten arbeiten, in offenen Raumkonzepten, bei denen jedes Wort aufgeschnappt werden kann, effizienter arbeiten? Während solche Konzepte für manche Linientätigkeiten nicht fruchten können, ist es für die Projektarbeit fast schon unerlässlich. So können unternehmensübergreifende Projektteams inkl. externer Berater sich problemlos zusammenfinden, um zielführend zu arbeiten.

Open Space = Open Minded?

Aber bedeutet eine räumliche Veränderung alleine eine tiefgreifende Veränderung der Zusammenarbeit? Denn das ist das Ziel der schönen Neuen Arbeitswelt. Durch die kompromisslose Offenheit soll es zu einer abteilungsübergreifenden Kommunikation, explosionsartiger Innovation und spontaner Selbstorganisation kommen. Dabei ist für mich der erste Schritt ein Umdenken in der Führungsebene. Hier muss insbesondere das mittlere Management auf die neuen Herausforderungen vorbereitet werden und patriarchische Denkmuster verändert werden. Mit Home-Office Konzepten und Sabbaticals wird gerne geworben, trotzdem ist das Thema Präsentismus in unseren preußisch geprägten Systemen von großer Bedeutung. Hier ist die Führungskraft gefragt als Vorbild voranzugehen und das bedeutet eine ganze Ecke mehr als nur die Krawatte abzulegen. So sollte insbesondere  während Erkältungszeiten schnell durchgegriffen und der oft anerzogene Präsentismus gelockert werden.

Coworking – mehr als nur ein Raumkonzept

Das Konzept des Coworking verfolgt letztendlich ein großes Ziel – die Kooperation. Endlich verabschieden wir uns von dem Konkurrenzdenken, der Ellenbogen-Mentalität hin zu einem Miteinander. Wer vom Hierarchie-Denken der Großkonzerne geprägt ist, der könnte diese tiefgreifende Veränderung des Führungsstils vorerst als bedrohlich empfinden. Entscheidungsträger, die sich davor jedoch langfristig verschließen, riskieren zukünftig den Verlust ihrer besten Leute. Durch Coworking fallen im besten Fall Hierarchien weg, stattdessen helfen Mitarbeiter sich untereinander ihre Ziele zu erreichen und arbeiten selbstständig an Projekten. Eine offene Kommunikation ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg, um aus einem Team eine Einheit zu machen. Und dieser Erfolg lässt sich auch betriebswirtschaftlich messen. Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß, Mitarbeiter ohne große Eigenverantwortung zu fleischgewordenen Maschinen mutieren zu lassen. Das ist reine Ressourcenverschwendung.

Wie geht es den Mitarbeitern mit der neu gewonnenen Freiheit?

In unserem Zeitalter beruhen unternehmerische Innovationen und wirtschaftliches Wachstum zunehmend auf Wissen, Kreativität und Kommunikationsfähigkeit. Schlagworte wie Selbstmanagement, eigenverantwortliches Handeln, Entscheidungsfreude beschreiben in der Digitalisierung nicht mehr die Anforderungen an die Führungsriege. Das verlangt natürlich auch den Mitarbeiten einiges ab. Während die Freigeister frohlocken, bedeutet das für andere Teammitglieder erst einmal völlige Überforderung. Dabei bedeutet Coworking nicht, dass die Manager ihr Team alleine lassen, sondern es schafft lediglich neue Freiräume, die durch spezifische Coachings sinnvoll genutzt werden. Die Konzepte der Personalentwicklung sollten genauso flexibel sein, wie der Mitarbeiter selbst. Flexible Arbeitszeitregelungen können sich nur durch Vertrauen auf beiden Seiten durchsetzen. Immer wieder stelle ich fest, dass viele Menschen die Digitalisierung und dass damit verbundene New Work Konzept oft mit jungen Arbeitnehmern verbinden. Dies liegt sicherlich auch daran, dass die „digital natives“ oft mit den neuesten Technologien und Trends vertraut sind. Die Konzepte hinter New Work fordern jedoch viel mehr. Die Tugenden der Digitalisierung sind neben der Innovationskraft, ein herausragendes Selbstmanagement. Denn wer in diesem interaktiven, agilen Konzept erfolgreich sein will, der sollte seine Stärken kennen und sich schnell in immer wechselnde Projektteams einfinden können. Diese Fähigkeiten entwickeln viele Menschen erst mit steigender Lebens- und Berufserfahrung. Die altersbedingte Jugend hat nicht immer etwas mit der Geistigen zu tun. So findet man auch junge Menschen, die über die geistige Flexibilität einer Eisenbahnschiene verfügen. Auf der anderen Seite gibt es oft erfahrene Kollegen, die die Szene besser kennen als so mancher Newbie. Die Generation Z ist zudem von Geburt an umringt von Wirtschaftskrisen, Unsicherheit und allgemeiner Bindungslosigkeit. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich eine Generation, die neben Freiheit und Selbstbestimmung, auch gleichermaßen Ordnung und Struktur möchte. Da Mitarbeiter immer weniger bereit sein werden sich Unternehmen anzupassen, werden sich auch New Work Konzepte stetig mit den Bedürfnissen der Mitarbeiter weiterentwickeln.

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