Warum sich Mitarbeitende auf stillen Rückzug begeben
Rund ein Fünftel der Menschen, mit denen du in deiner täglichen Arbeitswelt interagierst, hat vermutlich bereits innerlich gekündigt. Diese Zahl aus einer aktuellen Gallup Studie*, mag auf den ersten Blick schockierend erscheinen, verdeutlicht jedoch ein weit verbreitetes Problem: Seit Jahren befinden wir uns im Dauerkrisenmodus, der unsere persönlichen und beruflichen Ressourcen erschöpft. Stress, Überforderung und Druck tun ihr Übriges. So ist es kaum verwunderlich, dass einige sich immer mehr zurückziehen und nur noch Dienst nach Vorschrift verrichten.
In diesem Blogartikel laden wir dich ein, gemeinsam mit uns einen Blick auf das Phänomen der inneren Kündigung zu werfen. Wir beleuchten, was innere Kündigung bedeutet, wie sich „quiet quitting” aufs Arbeitsumfeld auswirkt und vor allem, wie wir Resilienz als Werkzeug nutzen können, um verlorene Verbundenheit wiederherzustellen, neue Motivation zu finden, Achtsamkeit im Miteinander zu fördern und innere Stärke aufzubauen.
*Quelle: Gallup Studie: Gallup Engagement Index Deutschland 2023
Die Zahl der Mitarbeitenden ohne emotionale Bindung in Deutschland ist auf dem höchsten Stand seit 2012.
Fast ein Fünftel der deutschen Beschäftigten hat innerlich gekündigt.
Inhaltsverzeichnis
- Stille Kündigung: Was verbirgt sich hinter dem Begriff Quit Quitting?
- Wie entstehen innere Kündigungen?
- Was führt zur inneren Kündigung?
- Was sind die Folgen von inneren Kündigungen?
- Wie erkennst du eine innere Kündigung bei dir und anderen?
- Das Phänomen Quiet Vacation bzw. heimlicher Urlaub
- Was können Führungskräfte tun, wenn sich erste Anzeichen für eine innere Kündigung abzeichnen?
- Lässt sich die innere Kündigung verhindern?
- So kann Resilienz dazu beitragen, inneren Kündigungen vorzubeugen
Mitarbeitende auf stillem Rückzug: Was verbirgt sich hinter dem Begriff “Quiet Quitting”?
Innere Kündigung, auch bekannt als „stilles Kündigen“ oder „Quiet Quitting“, bezeichnet einen Zustand, in dem Mitarbeitende sich emotional von ihrer Arbeit distanzieren und ihr Engagement sowie ihre Motivation früher oder später verlieren.
Diese Form der Kündigung ist leise und unscheinbar – die Auswirkungen jedoch tiefgreifend, sowohl für den Einzelnen als auch für das Team und Unternehmen.
Wie entstehen innere Kündigungen?
Mitarbeitende wachen in der Regel nicht einfach eines Morgens auf und beschließen, heute innerlich zu kündigen. Vielmehr handelt es sich um einen schleichenden Prozess, der von wiederholten negativen Erfahrungen am Arbeitsplatz ausgelöst wird und Gefühle wie Ärger, Frustration sowie Enttäuschung und Entmutigung zur Folge hat.
Wenn der Mitarbeitende keine wirksamen Bewältigungsstrategien kennt und anwenden kann, werden die Gefühle der Unzufriedenheit und des Unwohlseins am Arbeitsplatz im Laufe der Zeit wachsen, sich anstauen und schlussendlich den Weg in den inneren Kündigungsprozess einleiten. Der Prozess manifestiert sich in einem allmählichen Rückzug, in dem sich der Mitarbeitende emotional von seiner Arbeit verabschiedet und letztendlich resigniert.
Wesentlich an der inneren Kündigung ist, dass sie zwar emotional bemerkt wird, aber keinerlei Konsequenzen hat. Es ist eine Art passive Opferhaltung: Die Arbeitnehmenden können oder wollen ihren Job nicht verlieren oder aufgeben, obwohl dieser immer mehr zur Qual wird.
Im Stadium der völligen Resignation erledigen Mitarbeitende nur noch das Nötigste (den sogenannten „Dienst nach Vorschrift”) und haben den Glauben an positive Veränderungen aufgegeben.
Einige Mitarbeitende entwickeln an diesem Punkt der totalen Entfremdung passiv-aggressives Verhalten, wie das Blockieren von Kommunikation mit Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzten, Knowledge Hiding oder das subtile Sabotieren der Arbeit. Teils kann die innere Kündigung auch in offener Aggression wie Mobbing, Machtmissbrauch und verbalen Angriffen münden.
Was führt zur inneren Kündigung?
Einige Faktoren, die zur inneren Kündigung führen und den Prozess in die Entfremdungsspirale einleiten, sind:
Mangelnde Anerkennung und Wertschätzung
Manchmal fühlt es sich an, als ob unsere Bemühungen nicht gesehen werden. Wenn wir dauerhaft das Gefühl haben, dass unsere Arbeit nicht anerkannt oder gewürdigt wird, sind Frustration und ein schleichender Verlust an Umsetzungsfreude vorprogrammiert.
Fehlende Perspektiven
Viele von uns haben klare Ziele und Ambitionen, wenn sie ins Berufsleben starten. Fehlt uns jedoch die Möglichkeit zur Weiterentwicklung und die Option auf Entfaltung sowie Mitgestaltung, werden wir über kurz oder lang einen Großteil unserer Motivation verlieren.
Übermäßige Arbeitsbelastung
Überlastung am Arbeitsplatz, hohe Anforderungen und Zeitdruck können zu Dauerstress führen. Das Jonglieren zwischen Arbeit und persönlichem Leben wird umso herausfordernder, wenn wir gleichzeitig den Erwartungen von Partnern, Kindern oder pflegenden Angehörigen gerecht werden wollen. Bei kontinuierlich hoher Arbeitslast bei gleichzeitig geringer Zeit für unsere persönliche Erholung werden wir früher oder später an unsere Grenzen stoßen. Haben wir auch hier keine inneren Ressourcen und Strategien entwickelt, um neue Energie zu tanken, sind wir früher oder später gezwungen, unsere Leistungsfähigkeit im Job einzuschränken, um uns vor einem Burnout zu schützen.
Konflikte am Arbeitsplatz und eine ungesunde Kultur
Unbearbeitete Konflikte mit Kollegen, Vorgesetzten oder innerhalb des Teams belasten die Atmosphäre am Arbeitsplatz. Treffen Misstrauen, Mobbing und miese Arbeitsmoral zusammen, ist die Atmosphäre dauerhaft vergiftet. Wir werden – wo möglich – die Flucht ergreifen oder uns so weit wie es nur irgendwie geht, emotional abgrenzen. Auch unsichere Beschäftigungsverhältnisse, befristete Verträge und eine Kultur der dauerhaften Angst stört unsere Bindung zum Arbeitgeber nachhaltig.
Was sind Folgen innerer Kündigungen?
Haben Mitarbeitende innerlich gekündigt und verrichten nur noch Dienst nach Vorschrift, hat das Folgen, die nicht nur die Mitarbeitenden selbst, sondern auch Kolleginnen und Kollegen sowie das ganze Unternehmen beeinflussen können.
Sei es wirtschaftlich, organisatorisch oder in Bezug auf die Arbeitskultur – die innere Kündigung kann sich auf vielen Ebenen zeigen und negativ auswirken. Denkbar sind:
- Sinkende Arbeitsleistung und Produktivität
- Mangelndes Engagement und fehlende Initiative
- Erhöhte Fehlzeiten und Krankheitsausfälle
Wirtschaftliche Folgen der inneren Kündigung sind insbesondere:
- Sinkende Mitarbeiterbindung und -loyalität
- Reduzierte Innovationsfähigkeit und Kreativität im Unternehmen
- Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Veränderungen und Projekten
Arbeitskulturelle Folgen der inneren Kündigung:
- Verlust von Vertrauen und Zusammenarbeit im Team
- Zunahme von Konflikten und Spannungen am Arbeitsplatz
- Abnahme von Teamgeist und Identifikation mit dem Unternehmen
Wie fühlt sich eine innere Kündigung an? Wie erkennst du eine innere Kündigung bei dir und anderen?
Typisch ist ein Gefühl der Leere oder der Gleichgültigkeit gegenüber der Arbeit, die einen einst motiviert hat. Die Arbeit erscheint nur noch als Last und notwendiges Übel – das einstige Engagement? Verschwunden. Kurzum: wir sind desillusioniert, unmotiviert und entfremdet. In puncto unserer physischen Gesundheit erleben wir Zustände von Erschöpfung und Antriebslosigkeit. Hinzu können Schlafstörungen oder sogar Depressionen kommen.
Wenn dein Gegenüber also früher motiviert und engagiert war, aber jetzt desinteressiert und gleichgültig gegenüber der Arbeit erscheint, hat er oder sie vielleicht innerlich gekündigt. Weiterhin sind ein sichtlicher Rückgang der ursprünglichen Arbeitsleistung, häufige Krankheitstage und negatives Verhalten Warnsignale. Hier ist jedoch abzuwägen, dass keine privaten Probleme, Sorgen, Ängste oder Nöte zu einer vorübergehenden Einschränkung der Leistung und Motivation führen, sondern das Arbeitsumfeld und berufliche Themen die Auslöser sind.
Die folgende Anzeichen-Liste stellt zugleich eine Reihenfolge in Eskalationsstufen dar:
- Wachsende Lustlosigkeit
- Nachlassende Eigeninitiative
- Passivität und Prokrastination
- Kreativitätsarmut
- Ausbleibende Beteiligung
- Beginnende Gleichgültigkeit
- Sinkende Produktivität
- Streichen aller Zukunftspläne (in diesem Unternehmen)
- Stiller Rückzug („Dienst nach Vorschrift“)
- Zunehmende Abneigung (gegenüber Job und Kollegen)
- Häufiges Klagen, negative Kommentare und Kritik
- Regelmäßiges Zuspätkommen oder Fehlen (Absentismus)
- Steigende Krankmeldungen
- Angespannte Beziehungen (zu Chef und Kollegen)
- Minderleistung
- Arbeitsverweigerung
Die letzten Punkte dienen meist dazu, eine echte Kündigung (durch den Arbeitgeber) zu provozieren. In dem Fall wird die innere Kündigung zwar auch von Außenstehenden bemerkt. Da ist es aber meist schon zu spät, und der bis dahin lautlose Prozess lässt sich kaum noch umkehren. Mehr noch: Er färbt bereits negativ auf das Betriebsklima ab.
Das Phänomen Quiet Vacation oder heimlicher Urlaub
An diesem Punkt möchten wir gerne auf ein weiteres Phänomen hinweisen, dass im Zusammenhang mit innerer Kündigung genannt werden darf: Das Phänomen des heimlichen Urlaubs – auch Quiet Vacation genannt. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass Mitarbeitende inoffiziell Urlaub machen, ohne diesen offiziell zu beantragen. Sie nehmen sich eine heimliche Auszeit, indem sie ihre Arbeit nur noch minimalistisch erledigen oder flexible Arbeitszeiten, Remote-Arbeit und andere Schlupflöcher nutzen, um sich zusätzliche Pausen zu gönnen.
Sowohl Quiet Vacation als auch die innere Kündigung enstehen aus Ursachen wie Stress und Überlastung, fehlende Anerkennung oder mangelnde Unterstützung. Beide Verhaltensweisen sind Warnsignale für ein unausgewogenes Arbeitsumfeld und erfordern proaktive Maßnahmen seitens des Unternehmens.
„Power can be taken, but not given.
The process of the taking is empowerment in itself.“
― Gloria Steinem
Was können Führungskräfte tun, wenn sich erste Anzeichen für eine innere Kündigung abzeichnen?
Durch einfühlsames Handeln und eine unterstützende Haltung kann die Führungskraft positiv dazu beitragen, den Mitarbeitenden durch schwierige Zeiten zu begleiten und die Arbeitszufriedenheit wiederherzustellen.
Ein erster wichtiger Schritt ist es, das Gespräch mit dem Mitarbeitenden zu suchen, um zu verstehen, was diesen belastet oder frustriert. Denn in den meisten Fällen besteht Gesprächsbedarf – der Mitarbeitende fühlt sich nicht gehört. Ehrliche, offene und wertschätzende Kommunikation ist hier das A und O.
Vorgesetzte können die Einstellung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser einschätzen, wenn sie das Verhalten regelmäßig und achtsam beobachten:
- Hat sich das Verhalten über die Zeit verändert?
- Wie hat sich der Mitarbeitende entwickelt?
- Zeigen sich immer häufiger Signale wie die oben beschrieben?
Vorgesetzte sollten versuchen, sich an eine bestimmte Situation zu erinnern, in der der Mitarbeitende mehr Einsatz gezeigt hat als aktuell:
- Was war damals anders im Vergleich zu heute?
- Welche Rahmenbedingungen haben sich geändert?
- Gab es einen konkreten Anlass oder Vorfall, der den Mitarbeitenden enttäuscht, verletzt oder demotiviert haben könnte?
Je nachdem, welchen Ursprung und Auslöser zugrunde liegen, können daraufhin gemeinsam Lösungen gefunden werden, die dem Mitarbeitenden individuell weiterhelfen, wie zum Beispiel Verbesserungen im Arbeitsumfeld, eine bessere Work-Life-Balance und weitere Unterstützungsressourcen wie Coachings, Seelsorge oder Trainings.
Lässt sich die innere Kündigung verhindern?
Es gibt viele proaktive Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen können, um dem Phänomen der inneren Kündigung entgegenzuwirken. Dazu gehört, eine offene Kommunikationskultur in der Organisation zu pflegen, in der Mitarbeitende sich grundsätzlich gehört und unterstützt fühlen. Auch ein gesundes und positives Arbeitsumfeld, das Vertrauen und Zusammenarbeit fördert, ist eine wichtige Basis.
Besonders wichtig ist dabei die Rolle der Führungs-Kraft: Gefestigte Persönlichkeiten, die regelmäßig Feedback geben, Anerkennung für gute Leistungen zeigen und dem Prinzip des Servant Leadership folgen, sind unverzichtbare Stützen und Vertrauenspersonen für Mitarbeitende. Denn allzu oft sind es Führungsfehler, die eine innere Kündigung besiegeln und einem Mangel an Einfühlungsvermögen, ungerechter Behandlung oder einem zu autoritären Führungsstil vorausgehen können.
Ein weiterer Lesetipp für dich: iga-Report: Engagement erhalten – innere Kündigung vermeiden
So kann Resilienz dazu beitragen, inneren Kündigungen vorzubeugen
Resiliente Menschen sind besser in der Lage, mit Rückschlägen umzugehen, ihre psychische Gesundheit zu schützen und mit innerer Stärke selbstführsorgend zu agieren. Dazu gehört auch, eigenverantwortlich zu handeln, reflektiert mit (belastenden) Situationen umzugehen und zu gesunden Beziehungen beizutragen.
Reflexionsübung: Was tun, wenn du in einem Job feststeckst
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um Klarheit zu finden:
Resilienz ist trainierbar wie ein Muskel und kann eine Kultur der Achtsamkeit und des Wohlbefindens schaffen. Gerne unterstützen wir dabei, eine resiliente Organisation aufzubauen und im gezielten Resilienztraining Mitarbeitende und Führungskräfte nachhaltig zu stärken.
Impuls: Jobcrafting
Wir haben uns auch mit dem spannenden Thema Jobcrafting auseinandergesetzt. Schau dafür gerne das Video und lese unseren Blogartikel: Job Crafting – du bist dein wichtigstes Tool
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