Positive Fehlerkultur: Vom Sündenbock zum Pinguin

Fehler heißen dem Wortlaut nach Fehler, weil etwas fehlt – nicht zwangsläufig, weil etwas falsch ist.
Dennoch tun sich manche Menschen verhältnismäßig leicht damit, Fehler einzugestehen, während andere absolut nichts zugeben können. Letztere belasten sich auf Dauer selbst. Warum ist das so und wie können Unternehmen durch Fehlerkulturen positiver damit umgehen?

Wie gehen wir mit Fehlern um?

Evolutionsbedingt greift der Schutzmechanismus, wenn uns etwas misslingt, wir würden also am liebsten weglaufen und so tun, als hätten wir den Fehler nicht begangen.
Auf Überraschungsmomenten, auf die wir nicht vorbereitet sind, tun wir uns in der Regel schwer.
Bei der Verarbeitung kommt unser Selbstwertgefühl ins Spiel. Je nach Ausprägung, kann ein negatives Selbstbild durch das Auftreten eines Fehlers noch weiter bestätigt werden, während eine Person mit einer realistischen Überzeugung der eigenen Fähigkeiten entspannter mit Fehlern umgehen kann. Der Umgang dafür liegt in der familiären Sozialisation. Wer als Kind Fehler machen durfte, ohne an der Liebe seiner Eltern zu zweifeln, wird auch im Erwachsenenalter souveräner damit umgehen können.

Verdrängte Fehler können krank machen

Fehler zu akzeptieren und auch nach außen einzugestehen, schützt uns und unser Umfeld.
Behält man sie für sich oder streitet sie ab, so wird sich in den meisten Fällen das schlechte Gewissen melden, zusammen mit der Angst, dass der Fehler aufgedeckt wird. Beides nimmt viel Raum im Denken und Fühlen ein. Das kann sich auch körperlich bemerkbar machen. Permanente Verdrängungsmechanismen können zu Muskelverspannungen, Migräne, Magenschmerzen, bis hin zu Angstzuständen führen.
Zudem machen wir uns mit nicht kommunizierten Fehlern erpressbar und verspielen die Chance die Situation souverän zu klären, bevor Betroffene im Nachgang davon erfahren.
Wer Fehler zugeben kann, wirkt nicht nur menschlich, sondern schafft auch eine Basis für ein vertrauensvolles Miteinander. Das ist besonders im Arbeitsumfeld wichtig, in dem Fehler direkte Auswirkungen auf unsere Karriere, unseren Status oder unser Ansehen im Unternehmen haben können.
Eine Kultur, die den offenen Umgang mit Fehlern zulässt, ist unabdingbar. Die Voraussetzungen dafür zu schaffen, ist eine wichtige Managementaufgabe.

Den größten Fehler, den man im Leben machen kann, ist, immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen.
– Dietrich Bonhoeffer

Aus Fehlern lernen

Gibt es eine solche Kultur nicht, so ändern sich die Voraussetzungen für den Umgang mit Fehlern.
In Teams, in denen die Perfektion von oben verordnet ist, existiert keine Fehlertoleranz. In solchen Systemen liegt es dann nicht mehr an der Sozialisation der einzelnen Teammitglieder, sondern es fehlen schlichtweg die Rahmenbedingungen für einen offenen Umgang. Eine negative Fehlerkultur führt häufig zu noch mehr Stress, Leistungsdruck und Perfektionismus. Die meisten Menschen ertragen solche Kulturen nicht allzu lange, sodass eine hohe Unzufriedenheit sowie Fluktuation die Folgen sind.
Studien belegen, wer andauernd negatives Feedback für seine Fehler bekommt, der bringt seltener neue Ideen ein. Die Angst Fehler zu begehen und dafür bestraft zu werden, lähmt Mitarbeitende und macht sie unproduktiv.

Innovation braucht Fehlerkultur

Dabei können aus Fehlern Innovationen entstehen. Jungunternehmende probieren alles Mögliche aus und kalkulieren das Scheitern mit ein. „Start many, try cheap, fail early“, heißt dieses Prinzip. Lars Hinrichs (Gründer Xing) oder Max Levchin (Gründer Paypal) sind nur zwei von vielen Gründern, die zunächst mit anderen Geschäftsideen gescheitert sind.
Unternehmen, wie Google vergeben sogar spezielle „Pinguin Awards“ an Mitarbeiter, die im Bewusstsein eines möglichen Scheiterns etwas Neues gewagt haben. Pinguine sind kluge und sicherheitsorientierte Tiere. Bei der Fischjagd springt zuerst ein Pinguin in das kalte Wasser, während seine Artgenossen auf der Eisscholle geduldig warten, ob kein Feind im Wasser ist. Sobald klar ist, dass die Situation sicher ist, folgen alle anderen Tiere. So wird die Gemeinschaft geschützt und sich gegenseitig geholfen.
In der Digitalwelt ist eine gesunde Fehlerkultur demnach völlig normal.
Und es gibt noch viel zu tun. Wirtschaftspsychologe und Fehlerforscher Michael Frese hat die Toleranz für Fehler in 61 Ländern der Welt verglichen. Deutschland landete auf Platz 60. Schlechter schnitt nur noch Singapur ab – ein Land, in dem Ordnungswidrigkeiten bis heute ganz offiziell mit dem Rohrstock sanktioniert werden.

Voraussetzungen für Fehlerkulturen schaffen

Genau deshalb ist es so wichtig eine Fehlerkultur in klassischen Unternehmen zu schaffen, die es ermöglicht offen und ehrlich über Fehler zu reden. Basis hierfür ist eine Unternehmenskultur, die frei von Ängsten, Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen ist. Nicht der Fehler an sich, sondern das Vertuschen und Leugnen von Fehlern sollte als Tabu gelten.
Dafür muss gelebt werden, dass es absolut menschlich ist Fehler zu machen. Ansonsten fällt der positive Effekt von Fehlern unter den Tisch. Nur wenn Fehler bekannt sind, kann man Wege erarbeiten, um sie in Zukunft zu vermeiden.

Mögliches Vorgehen:

  • gemachte Fehler sachlich analysieren
  • Ursachen herausarbeiten
  • Maßnahmen einleiten, um einer Wiederholung vorzubeugen

Dass aktives Fehlermanagement möglich und erfolgreich ist, zeigt ein Blick in Hochrisikobranchen wie die Luftfahrt, wo Fehler offen akzeptiert, analysiert und Fehlerquellen sachlich ausgeschaltet werden müssen, um Katastrophen zu vermeiden. Eine positive Fehlerkultur ist ein Merkmal resilienter Organisationen.

Solange sich an der Einstellung jedes einzelnen gegenüber Fehlern nichts ändert, werden wir sie weiterhin vertuschen, verschweigen oder auf andere schieben. Der Umgang mit Fehlern prägt dann nicht nur unser Arbeitsleben, sondern unseren gesamten Alltag.

 

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