Schicksalsschläge, schwere Krankheiten und der Tod sind unvermeidliche Teile unseres Lebens. Dennoch fällt es unserer Arbeitskultur schwer, einen angemessenen Umgang mit diesen Themen zu finden. Obwohl sie uns alle betreffen, wird Trauer am Arbeitsplatz schnell zum Tabu. So wird von Betroffenen teils nach einer gewissen Zeit erwartet, dass sie beim Betreten des Büros oder beim Einwählen in ein Team-Meeting diese Themen zu Hause lassen und bitte funktionieren. Hinzu kommt, dass nicht jeder gleich mit solchen Ereignissen umgeht: Manche möchten ihre Gefühle teilen, andere wollen ihren Schmerz lieber für sich behalten und keine großen Worte darüber verlieren.
Doch Krankheit und Tod lassen sich nicht wie ein Regenmantel ablegen oder wie ein Smartphone stummschalten. Sie beeinflussen uns, unser Miteinander und unsere Arbeitsweise. Ignorieren wir diese Themen am Arbeitsplatz, bleibt ein großer, grauer Elefant im Raum – sichtbar, aber unbesprochen. Er lastet auf den Schultern der Betroffenen und bedrückt das gesamte Team.
In diesem Artikel möchten wir uns diesem Elefanten widmen. Wir zeigen dir, wie du in solchen Situationen einfühlsam und gleichzeitig professionell reagieren kannst, um ein unterstützendes und respektvolles Arbeitsumfeld zu schaffen.
Inhaltsverzeichnis
Wie Menschen trauern: Trauer verstehen
Trauer ist eine tiefgreifende emotionale und psychologische Reaktion. Sie folgt auf Momente, in denen unsere Welt auf den Kopf gestellt wird und durch einschneidende Veränderungen aus den Fugen gerät. Dabei handelt es sich um einen komplexen und vielschichtigen Prozess, durch den wir versuchen, mit (erwarteten oder unerwarteten) Verlusten und Schicksalsschlägen umzugehen, um diese zu verarbeiten und Wege zu suchen, unseren Platz in einer „Welt danach” zu finden.
Trauer zeigt sich bei jedem Menschen anders und ist nicht an feste Regeln gebunden. Jeder Mensch trauert auf seine ganz eigene, individuelle Weise. Dabei gibt es keine „richtige“ oder „falsche“ Art zu trauern. Die Reaktionen können von tiefem Schweigen und Zurückgezogenheit bis zu Schmerz und Wut reichen, sich aber auch körperlich zeigen. Möglich sind:
Emotionale Reaktionen
wie Hilflosigkeit, Ohnmacht, Wut, Verzweiflung und Ruhelosigkeit.
Physische Reaktionen
wie Schockstarre, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Erschöpfung und sogar körperliche Schmerzen
Veränderung des Verhaltens
Möglich sind auch Verhaltensänderungen in Form von Rückzug oder ein verändertes Sozialverhalten.
Die Intensität unserer Trauer hängt von vielen Faktoren ab, wie der Beziehung zu einem möglicherweise Betroffenen oder Verstorbenen, unserer eigenen Resilienz und unseren bisherigen Erfahrungen mit Verlusten.
„In der Trauer sind wir meist ehrlicher als in der Freude.“
Was sind Auslöser für Trauer?
Trauer kann durch viele Ereignisse ausgelöst werden. Der Verlust eines geliebten Menschen ist der offensichtlichste Auslöser, doch auch andere Situationen können tiefgreifende emotionale Reaktionen hervorrufen. Menschen trauern um das, was sie verloren haben oder im Begriff sind, zu verlieren – sei es ein Leben, die eigene Gesundheit, oder die bisherige Normalität. Zu diesen Auslösern gehören:
- Das Ende einer Beziehung, wie die Trennung vom Partner, aber auch Liebeskummer.
- Plötzliche gesundheitliche Probleme, schwere Krankheiten oder Fehlgeburten.
- Ereignisse, wie der Verlust des Arbeitsplatzes, der Verlust von persönlichen Träumen und Zielen oder einer vertrauten Lebensweise.
Trauermuster und Trauerprozess verstehen: Wege, um Verlust zu bewältigen
Trauer ist ein individueller Prozess, der selten geradlinig verläuft. Jeder von uns erlebt diesen Weg auf seine eigene Weise. Dabei können wir verschiedene Trauermuster durchlaufen. Es kann aber auch sein, dass wir zwischen diesen hin- und herwechseln, je nachdem, in welcher Phase wir uns befinden und wie wir in der Lage sind, Trauer zu verarbeiten.
Abbildung: Wie wir einschneidende Verluste wie den Tod durchleben können
Wie unterschiedlich wir Trauer verarbeiten
Einige von uns fühlen sich von intensiven Gefühlsausbrüchen überwältigt. Wir erleben eine emotionale Achterbahn, in der Momente tiefster Traurigkeit, Wut oder Schuldgefühle sich mit Phasen scheinbarer Ruhe abwechseln.
Einige von uns fühlen sich von intensiven Gefühlsausbrüchen überwältigt.
Wir erleben eine emotionale Achterbahn, in der Momente tiefster Traurigkeit, Wut oder Schuldgefühle sich mit Phasen scheinbarer Ruhe abwechseln. Diese emotionalen Wellen können uns komplett aus der Bahn werfen und unseren Alltag stark beeinflussen.
Andere finden sich in Gedankenschleifen wieder, in denen der Verlust immer wieder durchdacht wird. Diese ständigen Grübeleien können von Selbstzweifeln und Vorwürfen begleitet sein, die den Schmerz noch verstärken.
Es gibt auch Menschen, die ihre Trauer durch Rückzug und Isolation verarbeiten. Sie ziehen sich sozial zurück, um die Trauer in der Stille für sich selbst zu bewältigen. Im Gegensatz dazu suchen andere Ablenkung in der Arbeit oder in verschiedenen Aktivitäten. Diese pragmatische Herangehensweise hilft ihnen, ein Gefühl von Kontrolle zu bewahren und sich von den überwältigenden Gefühlen abzulenken.
Ein weiterer Weg ist die Suche nach einem tieferen Sinn. Die spirituelle Suche kann uns Trost spenden und uns helfen, den Verlust in einen größeren Kontext zu setzen. Wir finden so eine Art Sinn und Orientierung, der uns durch diese schwere Zeit hilft
Zusätzlich kann Trauer auch körperliche Reaktionen hervorrufen. Wir fühlen uns vielleicht ausgelaugt, haben Schlafprobleme oder verlieren den Appetit. Unser Körper reagiert oft auf die emotionalen Herausforderungen, die wir erleben.
Die fünf Phasen der Trauer (Kübler-Ross Modell)
Die Trauerkurve, entwickelt von Elisabeth Kübler-Ross, zeigt uns die emotionalen Phasen, die Menschen durchlaufen, wenn sie mit Tod und Trauer konfrontiert sind. Das Modell basiert auf Kübler-Ross‘ Interviews mit Sterbenden und Trauernden und bietet Einsichten in den Prozess des Trauerns und dessen innerer Verarbeitung.
Abbildung: Fünf-Phasen-Modell der Trauerbewältigung (nach Elisabeth Kübler-Ross)
Ursprünglich im Kontext des Sterbeprozesses entwickelt, hat sich die Anwendung des Modells mittlerweile ausgeweitet. So wird es heute nicht nur im Kontext von Tod und Sterben, sondern auch für den Umgang mit persönlichen und beruflichen Veränderungen (wie im „House of Change“) und der Verarbeitung von Verlusten verwendet.
Die fünf Phasen – Nicht-Wahrhaben-Wollen, Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz – beschreiben die emotionale Reise, die viele Menschen durchleben. Hier erfährst du, wie du in jeder Phase helfen kannst:
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1. Phase: Nicht-Wahrhaben-Wollen – „Nicht ich, das kann unmöglich mir passieren"
Unmittelbar nach einem Verlust steht der Betroffene unter Schock und kann nicht glauben, was geschehen ist. Bezeichnend sind Gefühle wie Unglaube, Starre und Betäubung. Das Leugnen schützt die trauernde Person, bis sie soweit ist, dass sie sich dem Verlust stellen kann.
Was kannst du tun? Sei in dieser Phase präsent und biete Unterstützung an, ohne den Trauernden zu bedrängen. Zeige deine Anteilnahme und helfe pragmatisch, wie durch die Übernahme von Aufgaben oder Entlastung am Arbeitsplatz. -
2. Phase: Wut & Zorn – „Warum ausgerechnet ich? / Warum meine geliebte Person?”
In dieser Phase brechen Gefühle wie Wut, Schmerz und Zorn auf. Diese Gefühle sind eine natürliche Reaktion, die helfen, den emotionalen Schmerz zu verarbeiten. Trauernde sollten versuchen, ihre Wut auf gesunde Weise auszudrücken – darüber reden, Tagebuch schreiben oder die Wut in Bewegungsenergie umsetzen.
Was kannst du tun? Ermutige den Trauernden, Gefühle zuzulassen und auszudrücken. Biete dein Ohr und deine Unterstützung an. Sei geduldig und verständnisvoll in der Zeit, in der der Trauernde seine Gefühle verarbeitet. Das darf auch gemeinsam im Teamcall stattfinden: Auch Weinen ist erlaubt und kann befreiend sein. -
3. Phase: Verhandeln – „Was hätte ich anders machen können?“
In dieser Phase suchen Menschen nach Wegen, die Situation vielleicht doch noch zu ändern oder verbessern zu können. Gedanken sind etwa: „Was hätte ich anders machen können?“ Diese Gedankenkreise sind ein Versuch, die Kontrolle zurückzugewinnen und den Schmerz zu mildern.
Was kannst du tun? Ermutige den Trauernden, Gedanken zu reflektieren, ohne sich von ihnen überwältigen zu lassen. Biete Unterstützung an, indem du bei der Suche nach möglichen Wegen oder Lösungen hilfst, wo es möglich ist. -
4. Phase: Depression – „Warum fühlt sich alles so leer an?“
Diese Phase ist durch tiefe Traurigkeit und Verzweiflung gekennzeichnet. Menschen erleben oft eine Phase intensiven Kummers, in der sie sich überwältigt und hilflos fühlen. Hier kann es auch zu sozialem Rückzug kommen.
Was kannst du tun? Gib dem Trauernden Raum und Zeit, um sich mit der Situation auseinanderzusetzen – z. B. in Form von Freistellung oder Sonderurlaub. Sei weiterhin ein aufmerksamer Zuhörer und unterstütze, wo möglich. Wenn die Traurigkeit zu stark wird oder Anzeichen von ernsten Problemen auftreten, ermutige den Betroffenen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. -
5. Phase: Akzeptanz – „Wie kann ich mein Leben jetzt neu gestalten?“
Mit der Zeit beginnt sich ein Gefühl der Ruhe einzustellen. Wir akzeptieren den Verlust als Teil unseres Lebens und finden Wege, damit umzugehen. Dies bedeutet nicht, dass der Schmerz verschwunden ist, sondern dass wir lernen, mit ihm zu leben und unseren Alltag neu zu gestalten.
Was kannst du tun? Fördere die Integration der neuen Lebensrealität und biete Unterstützung beim Aufbau neuer Strukturen oder beim Erreichen neuer Ziele. Bestärke den Trauernden in seinen Fortschritten und bleibe ein zuverlässiger Ansprechpartner.
Wie Resilienz unseren Umgang mit Trauer beeinflusst
Wie wir mit Trauer und Verlust umgehen, wird auch von unserer persönlichen Resilienz beeinflusst. Diese innere Stärke hilft uns dabei, uns von den schmerzlichen Erfahrungen eines Verlustes zu erholen und mit den emotionalen Herausforderungen besser umzugehen. Resilienz bedeutet nicht, dass wir keine Trauer empfinden dürfen, sondern dass wir Wege finden, unsere Gefühle zu verarbeiten und wieder einen Schritt in Richtung Normalität gehen.
Menschen, die schwere Verluste erleben, werden vom Leben gezwungen, innezuhalten, ob sie wollen oder nicht. Dieser erzwungene Stillstand führt unweigerlichermaßen zur Konfrontation mit den eigenen Emotionen und Gedanken.
„Heilung bedeutet, dass der Mensch erfährt,
was ihn trägt, wenn alles andere aufhört, ihn zu tragen.“
Oft lösen genau diese Momente ein Bewusstsein für die eigene Endlichkeit aus. Eine tiefe Reue, Ohnmacht und auch Panik können Emotionen sein, die wir in solchen Momenten wahrnehmen.
Wir begreifen, dass wir dem Verkehrschaos auf dem Heimweg, den nervtötenden Nachbarn mit dem Laubbläser oder dem übervollen Postfach viel zu viel Macht gegeben haben. Der Moment, in dem wir realisieren, dass unser Leben bis gestern noch ein komplett zufriedenstellend war, erwischt uns eiskalt. Wie oft haben wir uns grundlos aufgerieben, Zeit mit Schimpfen verschwendet, nachts wach gelegen, wegen genau genommen nichts.
Und plötzlich wünschen wir uns genau diese kleinen Alltagsstörungen zurück.
Mit dem Rücken zur Wand stehen...
Mit dem Rücken zur Wand zu stehen, schenkt uns die Kraft, Entscheidungen zu treffen, die wir schon lange vor uns hingeschoben haben – den Job zu kündigen, der schon so lange belastet oder die eigene Beziehungslandschaft aufzuräumen. Uns fehlt schlichtweg die Kraft, das aufrechtzuerhalten, was wir geglaubt haben, zu müssen. Gerade starken Menschen, die nicht mehr stark sein können, schenkt Trauer die Möglichkeit, in die Verletzlichkeit zu kommen. Tränen, die seit Jahren zurückgehalten wurden, finden ihren Weg. Umarmungen und Hilfe können wieder angenommen werden.
Aus sehr schweren Momenten kann Großes entstehen. Wir erhalten eine Einladung vom Leben innezuhalten, uns wiederzufinden. Aus dem Gegenwind zu treten und auf Aufwind zu hoffen.
Genau diese Zuversicht, Stück für Stück wieder zurück ins Leben zu finden, und ihm noch einmal zu vertrauen, das macht Resilienz aus.
Unsere liebsten Ressourcen und Quellen zum Thema Trauer
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Buchempfehlung: Die Einladung, Oriah Mointain Dreamer
Oriah Mountain Dreamer verbindet ihre einzigartige Botschaft mit persönlichen Lebenserinnerungen. Voll mitreißender Darstellungskraft entwirft sie eine poetische Lebensphilosophie der Leidenschaft, ruft dazu auf, dieses Leben anzunehmen, sich dem Schmerz und dem Leiden zu öffnen und sich kompromißlos der Freude und Schönheit zuzuwenden.
Es interessiert mich nicht, wer du bist, und wie es kommt, dass du hier bist.
Ich will wissen, ob du in der Mitte des Feuers mit mir stehst, ohne zurückzuweichen“
– Oriah Mountain Dreamer
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